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Hans Lüthi

Suizid - das Ende vom Schmerz?

Aktualisiert: 23. Okt. 2022


Warum wir gut daran tun, uns unserem Inneren zuzuwenden




Mag sein, dass dies ein etwas unorthodoxer Beitrag zum Thema Suizid ist. Es richtet sich an Dich, wenn Du gerade mitten in der Krise steckst und in Deinem Schmerz und Deiner Verzweiflung scheinbar nur noch die eine Wahl hast: Den Freitod. Vielleicht ringst Du mit dem Gedanken. Vielleicht hast Du es für Dich bereits entschieden, und es ist nur noch eine Frage des Vollzugs.


Vor Kuzem war ich auch an diesem Punkt. Dann nach einem missglückten Suizid-Versuch wieder zurück in meiner Schmerzschlaufe, ohne Glauben an eine Zukunft und vor allem mit dem alles übertönenden Wunsch unterwegs: Der Schmerz muss aufhören. Der Wunsch tot zu sein omnipräsent. Achterbahn der Gefühle, auch während anderthalb Jahre danach und immer wieder dieser eine Wunsch: Es soll ein Ende haben mit meinem Drama.


Der Gedanke an den Tod besuchte mich immer wieder wie ein guter Freund, der mir verspricht, dass dann alles gut sein würde. Meine frühere, religiös begründete Idee über den Tod: Der Tod gleicht einem tiefen Schlaf, einer Narkose. Also: Keine Schmerzen, kein Bewusstsein mehr. Weg vom Fenster – aber das ganze Theater in meinem Leben würde mich nichts mehr angehen. Klang für mich nach einer Lösung, die mir nur insofern Sorgen machte, dass Hinterbliebene von Suizid-Verstorbenen sich oft das Leben lang schwerste Vorwürfe machen – und leiden. Das wollte ich definitiv nicht. Nur schien es mir so, dass ich es nicht mehr aushalten könne und meine Rücksicht auf andere ausgeschöpft wäre. Ausserdem war ich überzeugt, dass es für meine Hinterbliebenen eh besser wäre, wenn ich nicht mehr da sein würde und so der Nutzen über dem Schaden stehe.


Was nach dem Suizid sein könnte


Lieber Freund, hätte ich eine elegante Lösung, wie sich das mit der Ohnmacht und dem Schmerz auf die Schnelle regeln liesse, ich würde mit Wonne darüber schreiben. Damit kann ich leider nicht aufwarten. Aber ich möchte Dich gerne als unbekannter Freund ansprechen, weil ich Dir etwas zu sagen habe, was Deine Entscheidung, Deinem Leben ein Ende zu machen, hoffentlich beeinflussen kann. Es wird Dir wenig nützen, wenn ich Dir jetzt schreibe, dass das Leben weiter geht, dass der Schmerz nachlässt, dass Du noch eine Aufgabe hast und ähnliches. Das kriegt man als Betroffener (zu Recht) immer wieder zu hören. Nur nützt Dir das jetzt gar nichts, weil Du das in Deinem Schmerz verständlicherweise nicht glauben kannst.


Da der Suizid bei mir nicht geklappt hat, ist mir Zeit geblieben. Zeit, in der ich mit vielen interessanten Menschen über Suizid gesprochen habe. Ich war mir zwar sicher, Bescheid zu wissen, was „auf der anderen Seite“ sein würde. Aber kann man es mit absoluter Sicherheit wissen? Was, wenn man vom Regen in die Traufe kommt? Was hätte ich denn gewonnen, wenn es mir danach noch schlechter ginge?


Ein Gespräch mit einem sehr wachen und klugen Menschen ist mir besonders gut in Erinnerung. Er fasste sein Briefing von der „geistigen Seite“, wie er das nannte, so zusammen: Wenn Du als Selbstmörder auf „die andere Seite kommst“, dann „lebst Du weiter“ als körperloses Wesen. Du bist immer noch Du, aber ohne die Möglichkeit zu handeln, etwas zu bewirken, zu beeinflussen oder einzugreifen. Du siehst mehr in die Dinge rein als Du das als Mensch je konntest, fühlst den Schmerz der Zurückgebliebenen, siehst, wo sie irre gehen und fühlst mit ihnen mit. Klarer, als Du es als Mensch je konntest. Aber bewirken kannst Du überhaupt nichts mehr. Du kannst nur zusehen. Sein Fazit: „Da bleibe ich lieber in meinem Körper als Mensch. Dann kann ich wenigstens ein Glas an die Wand schmeissen, wenn mir danach ist“.



Lernaufgaben, die mir das Leben stellt


Ich hab das nicht gerne gehört. Im Gegenteil – dann soll also nicht einmal der Tod die Lösung sein? Ich war wütend. Ich hab mich dann noch mit etwas Literatur eingedeckt, die über das Thema schreibt. Hier einige der Bücher, die ich lesenswert finde:


„Brücken zwischen Leben und Tod“, von Iris Paxino

„Suizid ist nicht das Ende“, von Hannah Semper

„Der Suizid aus anthroposophischer Sicht“ von Michael Heinen-Anders.


Der Tenor im Grossen und Ganzen: Es ist nachher nicht einfach vorbei. Meine „Lernaufgaben“, die mir das Leben stellt, kann ich mit dem Freitod nicht verhindern. Ich muss gewissermassen „auf der anderen Seite“ nachsitzen. Und das auch noch unter wenig erfreulichen Bedingungen. Niemand kann sagen, wie es wirklich ist… Mir gab das zu denken.


Wenn es wirklich so ist, dann ist der Freitod nicht die Lösung. Wenn Du diesen Überlegungen eine Chance gibst, stehst Du natürlich vor dem Dilemma, was Du jetzt mit Deiner Ohnmacht, Deiner Verzweiflung, Deiner Traurigkeit, Deiner Hoffnungslosigkeit und Deinem Schmerz anfangen sollst.



Suche Dir in dieser akuten Phase unbedingt Hilfe


Wähle eine Notfallnummer. Klopfe an die Türe einer Klinik. Verschiebe die Idee, Dich umzubringen, und gib Deinem Leben noch etwas Zeit. Das geht nur, wenn Du jetzt Menschen um Dich hast, die verfügbar sind. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ohne Wartezeiten. Sie sind der Rettungsring im Sturme Deines gekennterten Bootes. Es ist das, was Du jetzt gerade für Dich brauchst.


Das ist alles, was Du in einem ersten Schritt tun musst. Alles andere wird sich ergeben. Du darfst darauf vertrauen, dass man Dich und Deine Not ernst nimmt. Und man lässt Dich miteintscheiden, bei allem, was man Dir an Hilfestellung anbietet. Nur: Such Dir diese Hilfe! Genau dort. Freunde und Familie sind in der Regel überfordert.


Eine Überlegung, die für mich hilfreich auch war, meinen „Termin“ immer wieder etwas zu verschieben, war unter anderem folgende: Was will ich den mit dem Suizid überhaupt erreichen? Was genau denn soll damit enden? Im Grossen und Ganzen einfach, dass ich endlich Ruhe hätte, dass die Quälerei aufhört. Dass ich nicht mehr kämpfen muss. Die Einsamkeit, die Trauer ein Ende findet. Für einen guten Therapeuten sind das nachvollziehbare Ziele. Viele Wege führen nach Rom. Warum sich nicht eine gewisse Zeit gönnen und mit einem guten Therapeuten zusammen daran arbeiten, diese nachvollziehbaren Wünsche als Therapieziele zu setzen und darauf hinarbeiten? Gib dem Leben eine Chance. Gib Dir etwas Zeit...


Der Schmerz wird weiter gross sein, aber Du bist nicht mehr alleine damit. Und Du findest Zeit für Dich. Um Schritte zur Heilung einzuleiten. Jedes Gramm Schmerz, das verloren geht, bringt etwas Erleichterung. Mit der Heilung gibt es auch wieder Perspektiven. Es braucht viel Geduld. „Das Alte“ geht nicht mehr. Deshalb ist es ja so ohnmächtig. Und „das Neue“ ist noch nicht da. Und Du steckst mittendrin. Das nennt sich Krise.



Die Geschenke in der Krise


Du kannst es jetzt nicht glauben, aber im Rucksack der Krise warten Geschenke auf Dich. Es sind nicht nur schöne Worte. Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass der Schmerz der Krise mich auf Dinge gestossen hat, die ich Beachten lernen musste. Der Schmerz hat mich dazu gezwungen, das zu tun. Jetzt beginne ich davon zu profitieren. Und es gab in der Zwischenzeit durchaus auch Momente tiefer Dankbarkeit für diese hässliche Erfahrung und diese katastrophale Zeit. Sogar mittendrin im tiefsten Elend. Die Krise hilft mir, mein Leben zu veredeln. Wie das Sandkorn in der Muschel. Es stört, und deshalb macht die Muschel eine Perle draus.


Ich wünsche Dir, dass Du dran bleibst. Es geht weiter. Gib nicht auf!


Ein Lesetipp: "Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben" Matt Haig. Für dann, wenn's schon ein bisschen besser geht.



Wichtige Telefonnummern

  1. Die dargebotene Hand Schweiz: 143

  2. Beratungstelefon für Kinder und Jugendliche bis 25 Jahre: 147

  3. Telefon Seelsorge Deutschland: 0800 111 0 111

  4. Telefon Seelsorge Oesterreich: 142

  5. Internationale Hilfe-Nummern: https://www.telefonseelsorge.de/international-helplines/


Zusätzliche Infos für den Ernstfall: https://www.reden-kann-retten.ch/notfall



Rufe jetzt eine Vertrauensperson an und treff Dich mit ihr.

  • Wenn Du niemanden in Deinem Umfeld anrufen möchten, rufe eine der Nummern unten an.

  • Sage Deinem Gegenüber ganz konkret, wie es momentan um Dich steht. Zum Beispiel: «Mir geht es gar nicht gut. In meinem Kopf tauchen immer wieder Gedanken darüber auf, mir das Leben zu nehmen. Ich möchte jetzt nicht alleine sein.»

  • Begib Dich an einen Ort, wo Du Dir nichts antun kannst.

Notfall-Nummern


Sanität: 144

Hier werden alle notwendigen Schritte für Dich eingeleitet


Dargebotene Hand: 143 www.143.ch

Beratung mit erfahrenen Menschen auch beim Thema Suizid

Jugendliche: 147 www.147.ch

Das Beratungstelefon für Kinder und Jugendliche von Pro Juventute ist vertraulich, kostenlos und hilft dir in Krisen weiter. Die Nummer erscheint nicht in der Telefonrechnung.



Hypnose Therapie im Raum Olten und Aarau, Coaching, Systemische Familienaufstellungen, Psychosoziale Beratungen, Lebensberatung.


Hans Lüthi Sandgrubenstrasse 17 4654 Lostorf

Tel. +41 76 421 01 69



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